Trauma

„Trauma ist die am meisten vermiedene, ignorierte, verleugnete, missverstandene und unbehandelte Ursache menschlichen Leidens.”
(Dr. Peter A. Levine)

    Was ist ein Trauma?

    Die WHO definiert ein Trauma als „ein kurz- oder langanhaltendes Ereignis oder Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung mit katastrophalem Ausmaß“. Meistens gehen solch traumatische Ereignisse mit extremer Hilflosigkeit und Ohnmacht einher.

    Der Begriff Trauma kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Wunde“. Man kann ihn bildhaft als eine „seelische Verletzung“ verstehen, die durch Überforderung der psychischen Schutzmechanismen bei einem traumatisierenden Erlebnis entsteht. Diese Schutzmechanismen bilden unsere „psychische Widerstandskraft“, die sog. „Resilienz“. Wie gut diese bei einem Individuum ausgebildet ist, ist sowohl von personalen Faktoren wie der genetischen Disposition, den kognitiven und emotionalen Fähigkeiten sowie von Umweltfaktoren wie Erziehung und Unterstützung durch die Familie und das soziale und kulturelle Umfeld, abhängig.

    Daher entwickeln nur die Menschen, die eine vergleichsweise niedrige Resilienz aufweisen, nach einem katastrophalen Erlebnis auch eine sogenannte Traumafolgestörung.

    Traumafolgen

    Wenn die psychische Abwehrkraft also nicht ausreicht, um das traumatische Ereignis hinreichend zu verarbeiten, wird der Organismus überflutet und geht in eine der automatischen Überlebensreaktionen über: Kampf, Flucht oder Erstarrung. Wenn die psychische Abwehrkraft also nicht ausreicht, um das traumatische Ereignis hinreichend zu verarbeiten, wird der Organismus überflutet und geht in eine der automatischen Überlebensreaktionen über: Kampf, Flucht oder Erstarrung. Können diese Überlebensreaktionen nicht vollständig durchlebt und erfolgreich abgeschlossen werden, wird die in Bedrohungssituationen automatisch aktivierte Überlebensenergie in unserem Nervensystem gespeichert, wirkt im Körper weiter und hält die traumatische Erfahrung, selbst wenn sie schon viele Jahre zurückliegt, gegenwärtig.

    Trauma verändert das Gehirn und die gesamte Physiologie. Man wird stressanfälliger. Die Bedrohung existiert weiterhin im Körper und das Überlebenssystem springt automatisch an, auch wenn es keinen Anlass zu Gefahr gibt. Traumafolgen zeigen sich in einem unsicheren Körpergefühl, durch das die Welt als unsicherer Ort interpretiert wird. Es gibt einen Sog hin zu Gefühlen von Hilflosigkeit, Angst und Wut.

    Die in der traumatischen Situation mobilisierte Notfallenergie ist im Körper wie gefangen und weiterhin aktiv. Posttraumatische Symptome sind der Versuch des Nervensystems, irgendwie mit dieser überschüssigen Energie umzugehen.

    Sehr belastende körperliche und psychische Symptome wie Flashbacks, Albträume, Schreckhaftigkeit, Ängste, schnelle Gereiztheit, innere Unruhe, Schlafstörungen, tiefe Erschöpfung, chronische Schmerzen, Migräne, sexuelle Probleme oder Beziehungsschwierigkeiten sind die Folge.

    Im Folgenden finden Sie eine Auflistung der wichtigsten offiziellen Traumfolgestörungen und häufiger Begleiterkrankungen.

    Offizielle diagnostische Unterteilung von Traumafolgestörungen:

    • Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
    • komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (KPTBS)
    • Dissoziative Störungen (Depersonalisations – und Derealisationssyndrom, dissoziativer Stupor, dissoziative Amnesie, dissoziative Fugue, dissoziative Trance- und Besessenheitszustände, dissoziative Bewegungsstörungen, dissoziative Krampfanfälle, dissoziative Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen)
    • Dissoziative Identitätsstörung (früher Multiple Persönlichkeitsstörung)
    • Nicht näher bezeichnete Dissoziative Störung (NNBDS, oft auch als Ego-State-Disorder oder Dissoziative Disorder Not Otherwise Specified (DDNOS) bezeichnet)

     

    Häufige Begleiterkrankungen von Traumafolgestörungen:

    • Angst- und Panikstörungen, Phobien
    • Depressionen
    • Sucht (Alkohol, Drogen, aber auch nicht-stoffgebundene Süchte, wie z.B. Sportsucht)
    • Essstörungen
    • Persönlichkeitsstörungen
    • Schmerzstörungen (Migräne, chron. Rückenschmerzen, Spannungskopfschmerzen etc.)
    • Zwangsstörungen
    • Schlafstörungen

    Ferner kann eine Traumatisierung nahezu jede psychische Erkrankung auslösen, wenn die entsprechende Disposition bei dem Betroffenen vorhanden ist.

    Arten von Trauma

    Schocktrauma
    Bei einem Schocktrauma handelt es sich um ein in der Regel einmaliges Ereignis, das von der betroffenen Person und den meisten Menschen als katastrophal und überwältigend empfunden wird. Hierzu gehören u.a. Faktoren, die das eigene Leben oder das Leben eines Nahestehenden bedrohen, plötzliche Zerstörung des eigenen Zuhauses oder der Gemeinschaft, Vergewaltigung, der Anblick von Naturkatastrophen, Schießereien o.ä., bei denen Menschen schwer verletzt oder getötet werden, sowie Vergewaltigungen und Geiselnahme.
    Dabei gilt zu beachten, dass jeder Mensch abhängig von seiner Resilienz, seine eigene subjektive Empfindung hat, was für ihn überwältigend ist. Auch Ereignisse wie Unfälle, Stürze, Krankheiten, Operationen und Geburten, die man gemeinhin als normale menschliche Erfahrungen einstufen würde, können wie oben beschrieben im Nervensystem als Trauma abgespeichert werden und zu typischen Traumasymptomen führen. 

    Komplexes Trauma
    Ein komplexes Trauma entsteht, wenn Menschen über einen längeren Zeitraum physischer oder auch psychischer Gewalt ausgesetzt sind.
    Eine Unterform des komplexen Traumas ist das sog. Entwicklungs- oder Bindungstrauma.

    Entwicklungs- oder Bindungstrauma
    Ein Entwicklungs- oder Bindungstrauma ist eine Sonderform des komplexen Traumas. Es entsteht typischerweise durch anhaltenden physischen und/oder psychischen Missbrauch oder Vernachlässigung in der Kindheit, häufig durch nahe Bezugspersonen.

    Dabei muss es sich nicht immer um schwere körperliche Gewalt handeln. Ein Bindungstrauma kann sich auch entwickeln, wenn wichtige Kernbedürfnisse in der Kindheit nicht ausreichend erfüllt werden:

    Das Neuroaffektive Beziehungsmodell (NARM)

    Das Neuroaffektive Beziehungsmodell (NARM) nach Lawrence Heller, ein entwicklungspsychologischen Erklärungsmodell für Entwicklungstrauma und dessen Folgen, spricht von den folgenden fünf Kernbedürfnissen, die beim Heranwachsen eines Kindes optimalerweise erfüllt werden sollten:

    1. Kontakt/Verbindung: Das Kind/Baby braucht die Erfahrung hier auf der Erde, bei seinen Eltern und in seinem Körper willkommen zu sein. Dadurch entwickelt sich die Fähigkeit, mit seinem eigenen Körper und seinen Emotionen in Berührung zu sein und mit anderen Menschen in wahrhaftigem Kontakt zu sein.
    2. Einstimmung: Die Eltern sollten in der Lage sein, die Bedürfnisse des Baby’s nach Nahrung, Körperkontakt und Aufmerksamkeit zu unterscheiden und auf diese angemessen einzugehen. Es lernt seine eigenen Bedürfnisse zu spüren und sich später auch selbst zu „nähren“.
    3. Vertrauen: Für ein Kleinkind ist es essentiell, dass es seinen Eltern und nahen Bezugspersonen bedingungslos vertrauen kann, damit es ein Grundvertrauen in das Leben und eine gesunde gegenseitige Abhängigkeit entwickeln kann.
    4. Autonomie: Als Kleinkind brauchen wir die Erfahrung, dass wir die Freiheit haben, die Welt zu entdecken, um unsere Eigenständigkeit zu üben, sowie dass die Grenzen, die wir aufzeigen, respektiert werden. Hierdurch wird die Fähigkeit ausgebildet, angemessene Grenzen zu setzen, „Nein“ zu sagen und zu unserer Meinung zu stehen.
    5. Liebe und Sexualität: Für ein Kind sind die Erfahrungen wichtig, dass es geliebt wird, so wie es ist, dass seine Liebe aufgenommen wird und dass es beim Entdecken und Erforschen seiner Sexualität bestätigt wird. Dadurch entwickeln wir die Fähigkeit, das Herz zu öffnen und liebevolle Beziehungen mit einer erfüllenden Sexualität zu verbinden.

    Wird eines oder mehrere dieser Kernbedürfnisse gar nicht oder nicht ausreichend erfüllt, führt dies zu absehbaren physischen und psychischen Symptomen. Das Selbstwertgefühl, die Identität und die Fähigkeit zur Selbstregulierung werden beeinträchtigt.
    Als Reaktion auf diese fehlende Erfüllung eines oder mehrerer der Grundbedürfnisse reagiert das Kind mit der Ausbildung einer spezifischen adaptiven „Überlebensstrategie“. Diese gewährleistet zwar das Überleben des Kindes, schneidet es aber von seiner Lebendigkeit, seinem Körper und seinem eigenen wahren Selbst weitgehend ab.
    Anhand dieses Modells lassen sich die meisten emotionalen Probleme und Beziehungsschwierigkeiten, von denen wir als Erwachsene geplagt werden, als Folge von bindungsbeeinträchtigenden Umständen in der kindlichen Entwicklung erklären.

    Persönliche Beratung und weitere Infos

    Haben Sie noch Fragen über den konkreten Ablauf, die Kosten und den Zeitrahmen einer Traumatherapie?
    Gerne berate ich Sie telefonisch oder per Email.

    Ich poste regelmäßig informative Beiträge zum Thema Trauma und Therapie auf Instagram. Folgen Sie mir gerne.